Warum die Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ wichtig ist und was Spielen damit zu tun hat.
- Tanja Mäder
- 26. Mai
- 4 Min. Lesezeit

Vom 26. Mai bis 1. Juni 2025 findet bundesweit die Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ statt. Organisiert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und unterstützt durch das Kompetenznetz Einsamkeit (KNE), steht diese Woche unter einem klaren Ziel:
🟠 Einsamkeit sichtbar machen.
🟠 Unterstützung bieten.
🟠 Menschen zusammenbringen.
Und dieses Jahr lautet der Impuls, der alles zusammenhält: „Gemeinsam spielen“.
Einsamkeit ist ein Zustand, über den kaum jemand spricht und den doch sehr viele Menschen kennen. Sie gehört zu den großen Tabuthemen unserer Zeit, nicht weil sie selten wäre, sondern weil sie schmerzhaft ist. Weil sie Fragen aufwirft, auf die niemand eine schnelle Antwort hat. Was sagt es über eine Gesellschaft, wenn immer mehr Menschen sich allein fühlen, in einer Welt, die angeblich so vernetzt ist wie nie zuvor?
Die bundesweite Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“, die vom 26. Mai bis 1. Juni 2025 stattfindet, ist kein Event für die gute Laune. Sie ist ein Weckruf. Eine Aufforderung, genauer hinzusehen. Organisiert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gemeinsam mit dem Kompetenznetz Einsamkeit (KNE), stellt sie das Thema in den Mittelpunkt, das so viele betrifft, aber kaum sichtbar ist. Einsamkeit ist kein individuelles Versagen. Sie ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist eine gesellschaftliche Realität, die sich quer durch alle Alters- und Lebensgruppen zieht. Und sie betrifft uns alle.
Die Zahlen und Studien sind eindeutig: Einsamkeit hat Folgen. Nicht nur psychisch, sondern auch körperlich. Sie erhöht das Risiko für Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlafstörungen. Sie schwächt das Immunsystem, lässt Menschen verstummen, macht sie vorsichtiger, ängstlicher, passiver. Wer über einen längeren Zeitraum hinweg das Gefühl hat, nicht gesehen zu werden, nicht dazuzugehören, nicht wirklich gemeint zu sein, verliert etwas Wesentliches: das Vertrauen in Beziehung. In Begegnung. In die Welt da draußen. Lang anhaltende Einsamkeit verändert Menschen, leise aber nachhaltig.
Und gerade weil sie so still wirkt, wird sie so selten bemerkt. Einsamkeit ist kein Notfall, der laut nach Hilfe ruft. Sie ist eine langsame Erosion. Sie sieht aus wie Rückzug, wie Ruhe, wie Unauffälligkeit. Sie tarnt sich als Selbstgenügsamkeit, als Introversion, als private Entscheidung. Doch hinter dieser Fassade liegt oft eine große Sehnsucht nach Nähe, nach Austausch, nach einem simplen: „Schön, dass du da bist.“
Die Aktionswoche versucht, diese Fassade aufzubrechen. Nicht mit Plakaten allein, sondern mit konkreten Angeboten vor Ort. In ganz Deutschland öffnen sich Räume: für Gespräche, für Begegnungen, für gemeinsames Tun. Das diesjährige Motto lautet „Gemeinsam spielen“ und auf den ersten Blick wirkt das fast zu simpel. Spielen gegen Einsamkeit? Ist das nicht naiv?
Nein. Es ist klug! Denn Spielen ist eine der niedrigschwelligsten Formen menschlicher Begegnung. Es braucht keinen Small Talk, keine tiefgründigen Gespräche, keine psychologische Aufarbeitung. Es braucht nur einen Tisch, ein Spiel und die Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Wer spielt, tritt in Beziehung, ohne es thematisieren zu müssen. Wer spielt, übernimmt Verantwortung, trifft Entscheidungen, reagiert auf andere. Ohne Zwang, ohne Bewertung. Einfach durch das Tun.
Gerade deshalb ist das Spiel in dieser Woche ein so starkes Symbol. Es erinnert daran, dass Zugehörigkeit nicht immer groß inszeniert sein muss. Dass es manchmal ein Kartenspiel braucht, ein paar Würfel, eine Einladung. Spiel ist kein Kinderkram. Es ist ein ernst zu nehmender sozialer Raum, gerade für Menschen, die sich in klassischen Begegnungsformaten nicht wohlfühlen. Es ist gelebte Beziehung ohne Pathos, echte Interaktion ohne Erwartung.
Auch ich beteilige mich in diesem Jahr mit einem eigenen Beitrag zur Aktionswoche. Am 1. Juni 2025 lade ich zum offenen Spieletreff ins Mehrgenerationen- und Bürgerhaus Pliensauvorstadt in Esslingen ein. Von 14 bis 17 Uhr sind alle willkommen, egal ob Vielspielende oder Neulinge, ob jung oder alt, ob allein oder in Begleitung. Es geht nicht um perfekte Regeln oder strategische Meisterleistungen. Es geht um Kontakt. Um Sichtbarkeit. Um einen Nachmittag, an dem niemand überflüssig ist.
Wir schauen hin. Wir machen auf. Wir schaffen Möglichkeiten, nicht nur für Betroffene, sondern für uns alle. Denn Einsamkeit geht uns alle etwas an. Sie ist kein Randphänomen, sondern ein Seismograph für das, was in unserer Gesellschaft aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Die Konferenz „Gemeinsam aus der Einsamkeit“, die heute den Auftakt zur Aktionswoche bildet, setzt genau hier an. Fachleute aus Wissenschaft, Sozialarbeit, Politik und Praxis kommen zusammen, um über Ursachen, Folgen und Gegenstrategien zu sprechen. Es geht nicht um Alarmismus. Es geht um Verantwortung. Die Studie, die dort vorgestellt wird, beleuchtet Einsamkeit aus der Sicht von Betroffenen. Sie gibt denen eine Stimme, die oft keine bekommen. Und sie zeigt: Es ist nicht genug, das Problem zu benennen. Wir müssen Wege finden, wie wir als Gesellschaft wieder zueinander finden.
Das erfordert mehr als nur gute Absichten. Es erfordert strukturelle Veränderungen, in der Stadtplanung, in der Bildung, im Gesundheitswesen, in der Arbeitswelt. Es braucht Orte, an denen man sich begegnen kann, ohne konsumieren zu müssen. Es braucht Formate, in denen Menschen sich einbringen können, ohne bewertet zu werden. Es braucht eine Kultur, in der das Wort „gemeinsam“ mehr ist als eine Floskel.
Und manchmal beginnt genau das mit einem Spiel. Nicht, weil es die Welt rettet. Sondern weil es einen Anfang macht.
Wer der Konferenz per Livestream beitreten möchte, kann das hier tun:
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